#87 | Anusch oder: wenn Männer Männer fotografieren
LIebe Leute,
gefühlt ist die überwiegende Mehrheit der Menschen hinter der Kamera männlich. Und - ebenfalls gefühlt - ist die Mehrheit der Menschen vor der Kamera weiblich. Und - schon wieder gefühlt - fotografieren die meisten männlichen Menschen hinter der Kamera sehr viel lieber weibliche Menschen und haben oft genug noch nie einen Mann portraitiert.
Warum ist das so? Wollen die meisten Männer nur Schönheit und sogar Erotik einfangen? Geht es ihnen vor alle darum, sinnlich aufgeladene Fotos anzufertigen? Oder spielt hier eine noch immer vorhandene latente Homophobie mit rein?
Ich fotografiere gerne Menschen. Ich gebe zu, vor allem Menschen, die mich inspirieren. Das kann ein ausgesprochen schöner Mensch sein. Meist jedoch sollte die Person nicht zu glatt sein bzw. aussehen, ich mag es, wenn der Mensch vor der Kamera etwas hat, was mich anspricht, in den Bann zieht, eben fasziniert. Warum fotografiere dann auch ich mehr Frauen als Männer?
Es mag daran liegen, dass ich als heteronormativer Mann häufiger von Frauen fasziniert bin, als von Männern. Es mag auch daran liegen, dass die Auswahl an foto-begeisterten Menschen unter Frauen höher ist, als unter Männern. Es also viel einfacher ist, eine Frau dafür zu gewinnen, sich von mir fotografieren zu lassen, als einen Mann.
Macht es für mich als Fotograf einen Unterschied, ob ich einen Mann oder eine Frau fotografiere? Ehrlich gesagt: nein. Denn das Vorgehen bleibt gleich: Ich spreche einen Menschen an, weil ich Interesse und Luste habe, ihn/sie zu fotografieren. Es wird vorab etwas geklärt, welche Art von Bilder mir vorschweben. Es kommt zum Fototermin, an dem ich versuche, in der vorhandenen Zeit (ich bitte meist 2-3 Stunden Zeit mitzubringen) ein Verbindung zu dem Menschen aufzubauen, ein Vertrauen zu schaffen, ohne welches aus meiner Sicht keine guten Bilder entstehen können. Während des shootings versuche ich, eine entspannte Stimmung zu kreieren, in der sich der Mensch vor der Kamera wohl fühlt und so zeigt, wie ich ihn/sie sehe und zeigen möchte. Die digitale Fotografie gibt mir die Möglichkeit, dem Menschen schon währen des shootings Ergebnisse zu zeigen, die hoffentlich das Vertrauen in meine Künste unterstreichen und dadurch für das weitere shooting motivieren. Insgesamt fotografiere ich Menschen sehr reduziert. Und doch bitte ich die Menschen, Accessoires mitzubringen. Häufig genug werden sie unbenutzt wieder mit nach Hause genommen. Aber ich finde es gut, die Möglichkeit zu haben, damit herumzuspielen.
Bei meinem shooting mit Anusch hatte ich vorab die Idee, sein markantes männliches Äußeres mit weiblich konnotierten Accessoires zu paaren, und den Blick des Betrachters dadurch zu stören, die Erwartungen zu durchkreuzen. Ich bin froh, dass Anusch sich davon nicht hat abschrecken lassen und offen war, es auszprobieren obwohl er - wie er mit hinterher sagte - keine Vorstellung hatte, wie das wirken würde. Herausgekommen sind ganz wunderbare Portraits. Und die Gewissheit, auch als Mann weiter Männer zu fotografieren.
Lieber Anusch, viele Dank für Dein Vertrauen!
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Alle Bilder wurden in meinem #Heimstudio mt der Nikon Z6II und dem Nikkor Z85mm f1,8 aufgenommen. Das Licht kam von einem Elinchrome BRX250 Blitzkopf und wurde mittels der Rotalux Deep Octa-Softbox geformt.
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